Tourbericht 600er Brevet ARA Köln / Bergisches Land

Tourbericht von Walburga und Martin

„Wir müssen schon zugeben, dass bis zum Starttag am 23.06.2012 die Nervosität vor dieser neuen Herausforderung doch ständig zugenommen hat. Während Walburga zwei Wochen vorher `mal eben` zwei Marathons mit reichlich Höhenmetern und eine kleine RTF mit 115 km hintereinander absolviert hat, ist Martin ausnahmsweise, ganz unsportlich, mit dem Motorrad unterwegs gewesen. War also nix mit Mattins planmäßigen Brevetvorbereitung, was ihm dann doch einige Sorgen bereitet hat. Samstag Nacht hat Martin, nach knapp 4 Std. Schlaf, um 03:00 Uhr Walburga eingesammelt, die auch nicht mehr geschlafen hatte. Als wir dann um 04:30 Uhr am Startplatz ankamen, war noch Zeit für ein kleines Nickerchen, obwohl wir uns schon sehr gewundert haben, dass wir bis dahin die Einzigen waren.

Gegen 05:15 Uhr kam dann doch langsam Leben auf und letztlich standen um 06:00 Uhr 23 Männer und 1 Frau am Start. Die Wetterprognose war vielversprechend, 300 km Rückenwind auf dem Hinweg und 300 km Gegenwind auf dem Rückweg, alles absehbar ohne Regen, bei 12°C – 23 °C.

Pünktlich um 06:00 Uhr ging es dann los in Richtung Soest durch das Sauerland. Die erste Gruppe war schnell nicht mehr zu sehen, um uns nach ca. 100 km doch wieder einzuholen. Sie hatten sich leider verfahren und etliche Extrakilometer hingelegt. Die traumhafte Gegend konnte jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass wir nach den ersten 150 km schon fast 2.000 Hm in den Beinen hatten. Inzwischen hatten wir uns in einer harmonischen 6er Gruppe zusammengefunden, so dass wir uns untereinander die Kräfte immer gut einteilen konnten.

Nach diesen ersten 150 km kamen uns auch die ersten Brevetfahrer entgegen, die zeitgleich auf der selben Strecke, an unserem Wendepunkt im Weserbergland gestartet waren. Durch den Rückenwind beflügelt ging es dann relativ zügig nach Großenwieden, zu unserem Wendepunkt, direkt am Weserufer gelegen. Um 19:00 Uhr kamen wir, nach 312 km, am Abzweig zur Weserfähre an und mußten uns dann leider für einen 15 km Umweg über die nächste Brücke entscheiden, da die letzte Fähre, lt. Roadmap, bereits um 18:45 Uhr gefahren sein sollte. Bei unserem Wende- und Kontrollpunkt angekommen, erwartete uns ein dampfender Teller Gulasch und frischer Kaffee. Dort erfuhren wir, dass die Fähre bis 20:00 Uhr fahren würde und waren doch etwas enttäuscht, dass uns diese Fehlinformation um ein kleines Highlight gebracht und ein paar extra Kilometer beschert hatte. Nach dieser ausgiebigen Pause machten wir uns gestärkt auf den Rückweg, jetzt aber mit Gegenwind. Bis Vlotho ging es relativ flach in die Dämmerung und der Gegenwind wurde immer schwächer.

Das Fahren mit Licht hatten wir ja schon während diverser Winter MTB Feierabendtouren geübt, was dann aber leider doch nicht gegen die aufkommende Müdigkeit half. Gegen 00:00 Uhr hat dann die Vernunft gesiegt und wir haben uns bei Km 410 für ein Nickerchen in Mastholte in einen Sparkassen EC-Vorraum zurückgezogen. Die anderen Vier unserer bewährten Truppe sind dann, nach einem kurzen Abschied, ohne uns weiter gefahren.

Was wir bei der Wahl der Schlafstätte leider nicht ahnen konnten war, dass es in der Nähe ein Feuerwehrfest gab. Irgend wie schien Mitternacht ein bevorzugter Zeitpunkt für das Abheben von Geld zu sein, so dass wir alle paar Minuten Besuch bekamen, der abwechselnd erstaunt und wortlos, besorgt um unser Wohlbefinden oder sich interessiert nach unserer Strecke erkundigte. Damit kam zwar keine richtige Ruhe auf, aber nach einer Stunde fühlten wir uns doch ausgeruht genug um weiter fahren zu können. So machten wir uns auf den weiteren Weg durch die Nacht. Es war eine ruhige Nacht, hin und wieder wurden wir von kleinen Personengruppen bestaunt, die scheinbar von einer Feier heimwärts gingen und schon sehr irritiert schauten, als Sie uns mit unserer Beleuchtung und Gepäck entdeckten.

Ab und zu kamen uns jetzt auch wieder vereinzelte Brevet Fahrer entgegen. Da wir im Dunkeln als solche leicht zu identifizieren waren, haben wir uns im Vorbeifahren schnell die besten Wünsche zugerufen. Nach weiteren 50 km flachem Terrain kamen wir zu unserer 10ten Kontrolle, der BAB Raststätte Soester Börde Süd, wo wir auf Silvio trafen. Silvio hatte sich bis hierher ganz alleine durchgeschlagen, da er mit div. Knieproblemen zu kämpfen hatte. Wir haben uns über diese Verstärkung gefreut und uns gemeinsam auf den Weg gemacht. Nach ca. 15 Minuten vermißte Martin plötzlich seinen Rucksack, den er offensichtlich am letzten Rastplatz vergessen hatte. Mit diesem Adrenalinschub, gepaart mit div. Flüchen über die eigene Dusseligkeit, ist er mit Vollgas zurückgefahren und fand überglücklich den Rucksack unversehrt wieder, der inzwischen von einer Reisegruppe umringt war. Zum Glück hatte jedoch noch niemand Notiz davon genommen.
Nach einer halben Stunde war der Spuk vergessen und wir haben uns auf die letzten 150 km mit reichlich Höhenmetern und Gegenwind gemacht. Inzwischen wurde es schon wieder heller, aber dafür kam die Müdigkeit langsam wieder, die bis ins Ziel blieb.

Bis dahin waren wir pannenfrei, dies sollte sich jedoch ca. 100 km vor dem Ziel ändern, als Martin ein rhythmisches Schleifgeräusch am Vorderrad feststellte, was leider nicht von einem Kaugummipapier o.ä. herrührte. Bei genauerem Hinsehen hatte ein Stein oder eines der unzähligen Schlaglöcher den neuen Fahrradmantel seitlich aufgeschlitzt, so dass schon der Schlauch herausguckte. Nur gut, dass dies nicht bei einer der vielen Abfahrten passiert oder erst aufgefallen ist, da der Schlauch nur wenige Umdrehungen von einem Platzer entfernt war. Da Martin einen Ersatzmantel dabei hatte, war das Problem schnell behoben und es hätte sofort weitergehen können, wenn Walburga nicht auf einmal verschwunden wäre (das Rad stand aber noch da). Silvio und Martin gingen um die Steinmauer herum, die als Montageständer gedient hatte und da lag Walburga in tiefsten Träumen. Wir gönnten ihr noch ein paar extra Minuten Pause, bevor wir uns wieder gemeinsam auf die letzten Kilometer machten.

Jetzt zeigte sich, wie gut man die Körner eingeteilt hatte. An einem längeren Anstieg, jeder von uns fuhr so seinen eigenen Rhythmus, traf ich auf eine ältere Dame, die mit Ihrem klapperigen Citybike, ganz ohne Akkunterstützung, unterwegs war. Dass wir beide den ganzen Anstieg auf Augenhöhe absolvierten zeigt mir ganz realistische, dass mein Akku nun doch schon ziemlich leer war.
Die Hügel nahmen bis ins Ziel kein Ende, selbst zum Parkplatz mußten wir noch einmal 12% überwinden, aber nach 31 Std., 620 km und ca. 5.800 hm hatten wir es glücklich, ohne Blessuren oder einen erwähnenswerten Durchhänger geschafft.

Trotz der Anstrengungen blieben uns genügend Zeit und Muße die Streckenführung über überwiegend verkehrsarme, teilweise abgelegene, sehr idyllische Straßen und durch ein abwechslungsreiches, reizvolles Landschaftsbild zu genießen.“

 

Martin Slonina